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Lungenkrebs: Mit dem 12-Augen-Prinzip gegen den Tumor

Schock-Diagnose: Lungenkrebs. Sie katapultiert den Betroffenen von einer Sekunde zur anderen in einen traumatischen Zustand, stößt ihn in tiefe Einsamkeit und Hilflosigkeit. Der Lungenkrebs ist vor allem deswegen so tückisch, weil er meist erst spät erkannt wird. Dann zählt jeder Tag. Solange der Krebs noch nicht gestreut hat, ist nämlich seine Heilung möglich. Deswegen ist die Diagnose und Therapie nach dem simultanen 12-Augen-Prinzip jeder Kettenuntersuchung überlegen…

Ist der Lungenkrebs erst einmal diagnostiziert, muss ohne jeden Zeitverlust seine spezifische Art, seine Ausbreitung und das genaue Stadium analysiert werden. Lungenkrebs ist nicht gleich Lungenkrebs – die Behandlung muss höchstpräzise auf die persönliche Ausprägung passen.

Das Katholische Marienkrankenhaus in Hamburg arbeitet in Tumorkonferenzen nach dem 12-Augen-Prinzip: Sechs Krebsspezialisten arbeiten simultan Hand in Hand. Fachärzte von sechs verschiedenen Disziplinen nehmen an der Tumorkonferenz teil – und  befassen sich mit jedem einzelnen Patienten. Bei den Tumorkonferenzen sind immer dabei: ein

  • Lungen-Chirurg
  • Onkologe (Krebs-Spezialist)
  • Röntgenarzt
  • Pathologe
  • Strahlentherapeut
  • Lungenfacharzt (Pneumologe)

Sie diagnostizieren von Anfang an gemeinsam und simultan, um so schnell wie möglich die drängendsten Befunde zusammenzutragen. Zwölf Augen, um parallel den besten Heilungspfad zu bestimmen. Sie müssen unter anderem…

  • Gewebeproben aus dem Geschwulst (oder den Ablegern) entnehmen, um die spezifische Art und Aggressivität des Tumors eindeutig zu bestimmen
  • Brustkorb, Oberbauch (Computertomographie), um sicher zu gehen, dass keine Tochtergeschwülste auf Lymphknoten oder in andere Organe gestreut haben
  • Damit das genaue Stadium zweifelsfrei diagnostizieren
  • Mutations-Tests an den Gewebeproben für die individuelle Therapieplanung durchführen
  • Lungen- und Herz-Funktionen untersuchen, um die Belastbarkeit für die unterschiedliche Behandlungspfade zu erkennen
  • die ineinander greifenden Behandlungs-Schritte bzw. -Phase planen
  • im Falle einer Chemotherapie etwa personalisierte Indikationen entwickeln (keine Gießkannenmethode, denn jeder Krebs ist und verhält sich anders)
  • den Patienten genau über alles informieren, ihm ein Gefühl der Geborgenheit geben, dass der Krebs kein Schlupfloch haben soll – denn sein Vertrauen, seine mentale Stärke ist wichtig für den Heilungsprozess.

Bei jeder Tumorkonferenz kommen alle sechs Spezialisten zusammen, legen ihre spezifischen Erkenntnisse zu einem Diagnose-Mosaik zusammen. Der Lungenfacharzt und Tumorchirurg Prof. Dr. Christian Müller ist Chefarzt im Kath. Marienkrankenhaus in Hamburg und lebt das 12-Augen-Prinzip: „So können in kürzester Zeit alle Diagnose-Module gegenseitig abgeglichen werden – und möglicherweise widersprechende Befunde sofort ausgewertet werden: Sechs Köpfe erkennen mehr als drei, zwölf Augen sehen mehr als sechs! In existenziellen Momenten wie einer Krebs-Diagnose wollen wir mit unserem Experten-Team so schnell wie möglich den wirksamsten aller möglichen Heilungspfade erkennen und anstoßen. Das spürt auch der Patient, wie viele Menschen sich um ihn – in seiner existenziellen Sorge – kümmern. Das ist auch ein Stück Familiarität – ein nicht zu unterschätzendes Erfolgs-Momentum für den Behandlungs- und Heilungsprozess. Den Krebs können wir nur gemeinsam mit dem Patienten besiegen.“

Das 12-Augen-Prinzip steht für Präzision und Schnelligkeit, zwei der schärfsten Waffen gegen den Lungenkrebs. Denn im frühen Stadium, bei begrenzter Ausbreitung sind die Heilungschancen reell.

Jeder Tumor ist ein komplexes Gebilde mit spezifischen Merkmalen, wie z. B. einer bestimmten Gewebeart, bestimmten Gewebemerkmalen und einem konkreten Stadium der Ausbreitung. Experten unterscheiden zwischen vier verschiedenen Hauptstadien, die unterschiedliche Behandlungen erfordern.

Grundsätzlich gilt:

  • bei kleinen, auf die Lunge begrenzten Tumoren reicht die Operation, die dann auch die einzige und ausreichende Therapie darstellen kann
  • fortgeschrittene Erkrankungsstadien bedürfen möglicherweise einer sehr komplexen, schrittweise durchzuführenden Behandlung mit Bestrahlung, Chemotherapie und /oder Operation, für die ein Zeitplan erstellt werden muss

Neue Heilungs-Wege durch Krebs-Antikörper

Ungeahnte Heilungs-Horizonte ergeben sich durch neu entwickelte Medikamente, sogenannte biologics. Die Rede ist von: Antikörpern, die sich gegen bestimmte Tumorzellstrukturen richten und das Wachstum hemmen.

Antikörper sind ja Teil des menschlichen Organismus und ein wichtiger Teil der eigenen Immunabwehr. Sie haben die Eigenschaft, gezielt bestimmte Zellmerkmale zu erkennen. Beispiel: der Antikörper Trastuzumab. Diese Antikörper helfen gegen bestimmte Formen von Brust- und Magenkrebs. Sie erkennen Tumorzellen an deren spezifischen Oberflächenstrukturen und heften sich an ihnen fest. Dann unterbrechen diese Antikörper die Stoffwechsel-Signale des Tumors, hemmen damit das Wachstum von Krebszellen und bremsen die Ausbreitung von Krebs-Ablegern (Metastasen). Prof. Dr. Udo Vanhoefer, Leiter des Onkologischen Zentrums am Marienkrankenhaus: „Die Erfahrung hat gezeigt, dass für diese Patienten eine Chemotherapie in Kombination mit Trastuzumab wesentlich besser wirksam ist als die alleinige Chemotherapie.“

Auch in der medikamentösen Therapie gibt es Dank der Forschung neue Hoffnung für Krebspatienten: Bei Lungentumoren mit bestimmten Mutationen kann durch eine Tablettentherapie (z. B. Tyrosinkinasehemmer Afatinib) eine Blockade bestimmter Signalwege der Tumorzelle erreicht werden, die zu einer sehr hohen Rate an Tumorrückbildungen führt – die Nebenwirkungen sind deutlich geringer als mit einer Chemotherapie bei deutlich besserer Tumorwirksamkeit.

Ob letztlich Medikamente, Antikörper oder die Operation gegen den Krebs eingesetzt wird – erfolgskritische Zeit wird durch die Tumorkonferenzen und das 12-Augen-Prinzip gewonnen.

Weiterführende Links:

Woran man Lungenkrebs erkennen kann
Krebs-Heilung durch Anti-Körper Biologics
Selbsthilfe Lungenkrebs in Hamburg
Lungenkrebs verstehen

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Prof. Dr. Christian Müller

Geschrieben von

Der Autor ist Chirurg und Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie. Er hält eine außerplanmäßige Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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