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Speiseröhrenkrebs: Wie wir ihm auf die Schliche kommen können…

Speiseröhrenkrebs: Patienten, die er befallen hat, haben mir anvertraut, wie sie angefangen haben, ihn zu ahnen: Erst waren da ungewöhnliche Schluckbeschwerden, die man vorher gar nicht kannte.

Man hat das Gefühl, dass beim Essen das Fleisch in der Speiseröhre irgendwo auf Höhe des Brustbeins hängen bleibt und nicht rutschen will. Mit einem Schluck Wasser geht es dann zwar wieder. Aber das Störgefühl bleibt. Und nistet sich ein. Es wird stärker, gerade wenn man dann auch noch schleichend abnimmt. Und man fühlt sich zusätzlich abgeschlagen, müde und nicht mehr so leistungsfähig wie sonst. Manchmal geht dem ein hartnäckiges Sodbrennen voraus – dann deuten alle Symptome tatsächlich in die eine Diagnose-Richtung: Speiseröhrenkrebs. Je schneller wir ihn entdecken, desto größer sind die Chancen, ihn zu besiegen!

Manchmal klopft der Krebs ganz leise an…

Wir sprechen lange mit den Menschen, die ihre Krankengeschichte über den Speiseröhrenkrebs erzählen. Viele von ihnen haben lange geraucht und auch regelmäßig Alkohol getrunken. Der Hausarzt empfiehlt bei solchen Symptomen vollkommen zu Recht, erst einmal den Magen zu spiegeln, also eine Gastroskopie durchführen zu lassen. Häufig bringt dann die Diagnose die schlimme Gewissheit: eine Enge in der Speiseröhre, bedingt durch einen bösartigen Tumor.

Wer oder was ist das – dieser Speiseröhrenkrebs?

Die Speiseröhre ist ein ca. 18 cm langer Transport-Schlauch. Ein Muskelschlauch, der zwischen der Mundhöhle und dem Magen den Transport der Speisen und Getränke übernimmt. Er ist, obwohl nur ein Schlauch, ein komplexes Organ, welches aus verschiedenen Gewebetypen besteht. Die Innenauskleidung besteht aus einer feuchten Oberfläche, aus Plattenepithel, im Unterschied zu der Auskleidung des Magens, die aus Schleimhaut besteht. In den oberen Abschnitten der Speiseröhre können sich demnach Plattenepithelkarzinome bilden; im unteren Drittel, insbesondere, wenn der Kranke an Sodbrennen gelitten hat, kann sich eine Adenokarzinom bilden, also ein Tumor, der sich aus der Schleimhaut entwickelt hat.

Tumorkonferenzen gehören zu den schärfsten Waffen gegen den Krebs

Wird einer dieser Tumore gefunden, ist eine Reihe von Untersuchungen zur Tumorausdehnung notwendig. Dazu gehören endoskopische Untersuchungen sowie Röntgenuntersuchungen wie die Computertomographie (CT) oder die Magnetresonanztomographie (MRT). Weiterhin müssen auch Herz und Lunge genau untersucht werden, um die Belastungsfähigkeit vor der zu planenden Therapie einschätzen zu können. Das machen wir bei uns im Marienkrankenhaus nach dem 12-Augen-Prinzip. Wir nennen das auch eine Tumorkonferenz. Heißt: Wenn wir über einen betroffenen Patienten sprechen, dann sind immer die wichtigsten sechs Spezialisten beteiligt. So sparen wir Zeit, weil alle Ergebnisse gleichzeitig auf den Tisch kommen. So gehen wir auf Nr. Sicher bei der Diagnose, da wir Anomalien immer gleich mit sechs Experten einordnen können. D.h.: Wir sind gewissermaßen stets sechs Ärzte, die sich um einen Patienten gleichzeitig kümmern.

Liegen alle Untersuchungsbefunde vor, wird in der Tumorkonferenz das weitere Vorgehen beschlossen. Im Prinzip gibt es drei Säulen der Behandlung: diese bestehen aus Chemotherapie, Strahlentherapie und operativen Verfahren. Je nachdem, welcher Tumortyp vorliegt und wie begrenzt oder ausgedehnt die Erkrankung zum Zeitpunkt der Operation ist, muss ein individuelles Therapiekonzept erstellt werden.

Je nach Stadium und Ausbreitungs-Stand können wir verschieden therapieren:

  • Findet sich zum Beispiel ein Plattenepitheltumor im oberen Speiseröhrendrittel, ist eine kombinierte Strahlen-Chemotherapie durchzuführen. Eine Operation ist hier zumeist nicht notwendig.
  • In einem anderen Fall, wenn der Tumor noch sehr klein und auf die Schleimhaut, also die oberste Gewebeschicht beschränkt ist und sich nicht ausgebreitet hat, können spezialisierte Ärzte endoskopisch operieren. Wir nennen das endoskopische Mukosektomie. Heißt: Mit mikroskopischen Instrumenten, die wir über ein Endoskop durch den Mund in die Speiseröhre einführen, können wir den Krebs von innen heraus entfernen – ohne äußerlich Schnitte legen zu müssen. Dann können auch die Speiseröhre und auch der Magen komplett erhalten werden.
  • Findet sich hingegen ein Adenokarzinom im unteren Speiseröhrendrittel, kommt es auf das Stadium an, in welcher Reihenfolge die Behandlung durchgeführt werden wird. Bei einem kleinen, begrenzten Tumor, ohne nachweisbaren Befall der Lymphknoten, kann eine Operation als erster Schritt erfolgen. Findet sich jedoch ein größerer Tumor oder wird ein Befall der Lymphknoten vermutet, sollte der Operation eine Chemotherapie (neoadjuvante Therapie) vorgeschaltet werden. Findet sich hierdurch ein Ansprechen auf die Therapie, die sich durch Verkleinerung des Tumors nachweisen lässt, ist die Prognose als sehr günstig einzuschätzen.
  • Nach einer Erholungsphase von 2-4 Wochen erfolgt dann die Operation, bei der der obere Teil des Magens und der untere, größte Teil der Speiseröhre mit den begleitenden Lymphknoten entfernt wird. Das klingt zunächst bedrohlich, eliminiert aber den Krebs – und lässt den Patienten weiterleben. Die Passagewiederherstellung erfolgt dann zumeist durch eine Nahtverbindung zwischen dem Restmagen, der in den Brustkorb hochgezogen wird mit der verbliebenen oberen Speiseröhre.

Aber keine Angst: Auch nach einem solchen Eingriff und nach Abheilung der Wunden sind die Kranken in der Regel rasch in der Lage, wieder normal zu essen, wenngleich die einzelnen Essportionen kleiner sind und daher zwischen den Hauptmahlzeiten kleine Zwischenmahlzeiten eingenommen werden sollten.

Jeder ist sein wichtigster „Horchposten“

Aber kommen wir noch einmal zum Anfang zurück. Weil im Anfang, sprich: im rechtzeitigen Erkennen oder Erspüren von Symptomen eine große Chance zu Heilung liegt! Wir müssen uns bewusst sein: Der Speiseröhrenkrebs ist heimtückisch, aggressiv und nur schwer wirklich heilbar. Der Betroffene beim Krebs ist der allerwichtigste „Früherkenner“ von möglichen Indizien oder Anzeichen, die auf eine Krebserkrankung hindeuten könnten. Ja, eine Art Horchposten. Deswegen ist es so wichtig, sich und seinen Körper sehr bewusst im Auge zu behalten und aufmerksam zu verfolgen, ob und was sich an Körperfunktionen oder -zuständen ändert. Der größte Teil der Kranken könnte viel früher zum Arzt gehen. Viele stellen sich mit bereits fortgeschrittenen Tumoren vor, so dass die Chancen, eine Heilung zu erreichen, tatsächlich sehr niedrig sind. Lässt sich die Diagnose dagegen in einem frühen Tumorstadium stellen, sind Heilungsraten von 40-50% (d. h. 5-Jahres-Überlebensraten vom Beginn der Behandlung angerechnet) zu erreichen. Daher die wichtige Empfehlung: sollte chronisches Sodbrennen vorliegen und oder Rauch- und Trinkgewohnheiten bestehen und sich eine Schluckstörung entwickeln: Schnell zum Arzt gehen! Das ist die beste Maßnahme, die man treffen kann. Früherkennung hilft heilen!

Weiterführende Links:

Hintergründe und hilfreiche Adressen: http://www.krebshilfe.de/fileadmin/Inhalte/Downloads/PDFs/Blaue_Ratgeber/013_0104.pdf

Tumorkonferenzen und das 12-Augen-Prinzip: http://www.krebs-und-tumor.de/lungenkrebs-mit-dem-12-augen-prinzip-gegen-den-tumor/

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Prof. Dr. Christian Müller

Geschrieben von

Der Autor ist Chirurg und Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie. Er hält eine außerplanmäßige Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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